L'adieu à la nuit Frankreich 2019 – 104min.
Filmkritik
Wenn die Welt sich verfinstert
André Téchiné fokussiert in seinem Film um einen jungen Gotteskrieger vor allem auf dessen Grossmutter.
Es beginnt mit einer Sonnenfinsternis in Südfrankreich. Mit Muriel, die mit ihrem Angestellten Youssef zwischen Kirschbäumen steht und sich mit ihm über das aussergewöhnliche Himmelsphänomen ebenso unterhält wie über die Wildschweine, die man seit einiger Zeit auf dem Hof beobachtet. Am nächsten Tag kommt Muriels Enkel zu Besuch.
Alex ist nach der Trennung seiner Eltern und dem Unfalltod seiner Mutter bei Muriel aufgewachsen und will sich verabschieden, bevor er in Kanada sein Medizinstudium aufnimmt. Doch dann beobachtet Muriel, wie Alex zwischen den Bäumen den Gebetsteppich ausbreitet. Sie ist irritiert, zögert. Sucht das Gespräch und erfährt, dass Alex zum Islam konvertiert ist. Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei seine aus dem arabischen Raum stammende Freundin Lila.
Muriel ist alarmiert. Sie hat ihr ganzes Leben hart gearbeitet und für ihren Hof gekämpft – und mit jedem Schicksalsschlag, der ihre Familie reduzierte, mehr Verantwortung übernommen. Sie kann unmöglich tatenlos zusehen, wie sich Alex ihr entfremdet und braucht auch nicht lange, um herauszufinden, dass Kanada eine Farce ist.
Es sind jüngst etliche Filme entstanden um junge Menschen aus Europa, die in den Heiligen Krieg ziehen. Sie alle erzählen fast ausnahmslos von deren wahnhafter Verblendung, ihrem Zerwürfnis mit ihren Familien und der ohnmächtigen Verzweiflung ihrer Angehörigen, viele dieser Filme zerreiben sich im Versuch, die beiden Seiten glaubwürdig zusammenzubringen.
L’adieu à la nuit verhält sich anders. Er fokussiert weitgehend auf Muriel. Und auch wenn sich Muriel und Alex streiten, ist ihr Bruch nicht total, die gegenseitige Zuneigung noch vorhanden: So wie Alex zögert, bevor er Muriels Konto plündert, sucht Muriel das Gespräch mit einem IS-Aussteiger, bevor sie Alex mit drastischen Mitteln vor dem grössten Fehler seines Lebens zu bewahren versucht.
André Téchiné erzählt elegant, in idyllisch schönen Bildern und mit unterschwelliger Dringlichkeit. Catherine Deneuve spielt so resolut wie sensibel diese Frau, die um ihren Enkel zu retten diesen hintergehen muss. Kacey Mottet Klein überzeugt als junger Mann, der in fiebriger Nervosität Härte vorgibt, derweil auf seinem Gesicht zwischendurch eine fast kindliche Verletzlichkeit aufblitzt. L’adieu a la nuit ist kein Film, der Antworten findet. Aber er überwindet in krimiartigem Pragmatismus die latente Lähmung, die dem brandaktuellen Thema oft anhaftet. Und allein das macht ihn sehenswert.
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