The United States vs. Billie Holiday USA 2021 – 130min.

Filmkritik

Tragische Ikone

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Billie Holiday gilt als eine der grössten Jazzsängerinnen aller Zeiten und hatte ein schillernd-turbulentes Leben: Regisseur Lee Daniels («Der Butler») befasst sich in seinem neuen Film vor allem mit den letzten zwölf Jahren der 1959 gestorbenen Bühnenkünstlerin, die aufgrund ihres antirassistischen Songs «Strange Fruit» ins Visier der US-Drogenbehörde FBN geriet.

Der eigentliche Plot des biografischen Dramas setzt im Jahr 1947 ein, als Billie Holiday (Andra Day) bereits ein grosser Star ist und die Clubs, besonders das berühmte «Café Society», mit ihren Auftritten füllt. Die Musik der Afroamerikanerin findet in der gesamten Bevölkerung riesigen Anklang, was die Regierenden zunehmend beunruhigt. Besonders das Lied «Strange Fruit», das die Praxis des » in den Südstaaten geisselt, ist den Mächtigen ein Dorn im Auge, da es die schwarze Bevölkerung auf die Barrikaden treiben könnte. Harry Anslinger (Garrett Hedlund), der Leiter der Drogenbehörde FBN, nimmt die Heroinsucht Holidays daraufhin zum Anlass, um gegen die populäre Sängerin vorzugehen und ihre Karriere zu torpedieren. Helfen soll ihm dabei der junge afroamerikanische Agent Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes), dessen Ermittlungen Billie tatsächlich für einige Zeit in den Knast bringen. Auch nach ihrer Entlassung nimmt das FBN sie weiter ins Visier.

Gleich mit ihrer ersten Hauptrolle hinterlässt die Soul- und R&B-Sängerin Andra Day einen nachhaltigen Eindruck. Ihre rauchige Stimme in der Originalversion ist ungemein aufregend. Nicht nur in den ausführlichen Liedpassagen. Insgesamt meistert Day die Herausforderung, das Charisma Holidays einzufangen, auf beachtliche Weise und hat sich ihren Golden-Globe-Gewinn und ihre Oscar-Nominierung redlich verdient.

Rund um ihre starke Darbietung herrscht allerdings erstaunlich oft Konfusion, sowohl in erzählerischer als auch formaler Hinsicht. Schon früh hat man das Gefühl, dass der auf dem Sachbuch «Chasing the Scream: The First and Last Days of the War on Drugs» (Autor: Johann Hari) basierende Film nicht so recht weiss, welche Aspekte er in den Mittelpunkt rücken soll.

Der Rassismus, der aus Anslingers Kampagne spricht, ist unübersehbar. Etwas behauptet bleibt aber die besondere Bedeutung, die «Strange Fruit» für Billie Holiday gehabt haben soll. Inwiefern sie als eine Vorreiterin für die Bürgerrechtsbewegung in den USA fungierte, geht aus Lee Daniels‘ Aufarbeitung nicht genau hervor. Die Erfahrungen der Jazzlegende mit ihren zum Teil gewaltigen Ehemännern werden mehrfach gestreift, wirken aber ebenso bruchstückhaft wie die Ausflüge in die traumatische, von Missbrauch geprägte Kindheit und Jugendzeit der Sängerin und die Hinweise auf die damalige Ausbeutung schwarzer Unterhaltungskünstler. All dies erweitert das Drehbuch von Suzan Lori-Parks um eine nicht verbriefte Romanze zwischen der Billie und Jimmy Fletcher, der eine absehbare Läuterung durchläuft. Gänzlich überflüssig, da wenig aussagekräftig, ist das die Geschehnisse rahmende Interview, das Holiday einem fiktiven Radiomoderator (Leslie Jordan) gibt.

Ausstattung, Kostüme, Make-up und Frisuren sehen toll aus. Eine klare Vision vermissen lässt jedoch das gelegentliche Spiel mit dem Filmmaterial und den Farben. Manche Bilder wechseln urplötzlich in den Schwarz-Weiss-Modus, und einige Sequenzen, etwa eine Europatour, werden im Zeitraffer in Form eines visuellen Reisetagebuchs präsentiert.

Trotz Andra Days eindringlicher Performance erinnert «The United States vs. Billie Holiday» an das 2019 veröffentlichte Biopic «Jean Seberg – Against All Enemies», das einen FBI-Feldzug gegen die titelgebende US-Schauspielerin beschreibt. Hier wie dort geht einem das Schicksal der faszinierenden, von Schmerz gezeichneten Hauptfigur nicht so nahe, wie man es erwarten würde. Womöglich ist Holidays Leben auch einfach zu sehr mit aufwühlenden Ereignissen gespickt, als dass man es für einen zweistündigen Film überzeugend eindampfen könnte.

30.06.2021

2.5

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Kommentare

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Rom2000

vor 3 Jahren

Sehr langatmige Erzählweise. Musik,Gesang top.


Filmenthusiast

vor 3 Jahren

War zu deprimierend, ging vor Schluss raus.


Yvo Wueest

vor 3 Jahren

Verrückte Zeiten, in denen "strange fruits" an den Bäumen hängen und der Staat, statt sich um das Wohl der Bürger*innen zu kümmern und für Arbeit, Gesundheit und Sicherheit zu sorgen, eine charismatische und selbstbewusste Sängerin verfolgt und ihre Ehemänner, Manager und engsten Vertrauten manipuliert und korrumpiert.

Das inkriminierte Lied geht auf den Lyriker und Songwriter Abel Meeropol zurück, der "Bitter Fruit" als Protest gegen Lynchmorde an Schwarzen Menschen in den Südstaaten der USA schrieb.

Die Behörden gehen heftig gegen Holiday vor -dies und die genialen musikalischen Interpretation von Andra Day sind die erinnernswerten Szenen im Film- nicht wegen ihrer Drogensucht, sondern weil sie das aufrüttelnde Potenzials von "Strange Fruit" erkennen.

Natürlich soll ein Filmplot viele Freiheiten zur realen Geschichte ausschöpfen. Doch die romantisierende Love-Story mit dem FBI-Agenten (der später seine Willfährigkeit bedauert haben soll) und die zärtliche Nagellackszene am Krankenbett, ist ärgerlich. Erst im Abspann sehen wir, dass die Bundespolizei die sterbende Frau mit Handschellen ans Bett gefesselt hatte.Mehr anzeigen


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