Snowden Frankreich, Deutschland, USA 2015 – 134min.

Filmkritik

Mensch und Whistleblower

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Auch drei Jahre nach seinen spektakulären Enthüllungen sitzt Whistleblower Edward Snowden noch immer im russischen Exil fest. US-Querdenker Oliver Stone widmet dem jungen Mann, der die Welt über die exzessiven Ausspähpraktiken der Sicherheitsbehörden informierte, nun ein fesselndes Biopic, das nicht zuletzt von seinen überzeugenden Darstellern lebt.

Als Vorlage für die Spielfilmaufarbeitung dienten Stone und Drehbuch-Koautor Kieran Fitzgerald Luke Hardings Faktenschilderung "The Snowden Files" und Anatoly Kucherenas Roman "Time of the Octopus". Unterteilt ist das biografische Drama in zwei Zeitstränge, die miteinander verzahnt sind und ab einem gewissen Punkt zusammenlaufen. Auf einer Ebene begegnen wir im Sommer 2013 einem höchst misstrauischen Titelhelden (angenehm natürlich: Joseph Gordon-Levitt), der sich auf seiner Flucht in einem Hotel in Hongkong unter konspirativen Umständen mit der Filmemacherin Laura Poitras (Melissa Leo) und den Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto) und Ewen MacAskill (Tom Wilkinson) trifft. Ihnen will er einen Stick mit hochsensiblen Daten übergeben.

Einen deutlichen Kontrast zur klaustrophobischen und angespannten Lage im Hotelzimmer bildet ein weiterer Handlungsfaden, der Snowdens beruflichen und privaten Werdegang skizziert. Nach seiner Ausmusterung beim Militär heuert der patriotisch gesinnte, von den 9/11-Anschlägen geprägte Autodidakt als Computerfachmann bei der CIA an und findet dort in Corbin O’Brian (bedrohlich: Rhys Ifans) einen starken Fürsprecher. Erste Auslandseinsätze lassen den etwas naiven, anfangs begeisterten IT-Experten allerdings mehr und mehr an seiner Arbeit und den fragwürdigen Überwachungspraktiken zweifeln.

In den Mittelpunkt des Films stellt Stone vor allem den Menschen Edward Snowden und untersucht daher auch das Verhältnis zu seiner Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley), die sich schon bei ihrer ersten Begegnung als Verfechterin freiheitlich-demokratischer Werte zu erkennen gibt. Erfreulicherweise ist die junge Frau keine hastig entworfene Stichwortgeberin, sondern eine vielschichtige Figur, über die das Drehbuch den langsamen Wandel des Protagonisten fassbar macht. Aufgrund seiner ständig wechselnden Arbeitsorte und seinen streng geheimen Tätigkeiten leidet ihre Beziehung enorm, was der Film immer wieder unterstreicht.

Neben einem recht differenzierten Psychogramm zeichnet Snowden auch das Bild eines außer Kontrolle geratenen Sicherheitsapparates, der sich unter dem Deckmantel des Bürgerschutzes das Recht herausnimmt, die Privatsphäre unbescholtener Menschen zu verletzen. Bahnbrechend neue Erkenntnisse sollte man bei Stones Dramatisierung der Ereignisse nicht erwarten. Wohl aber ein engagiert-aufklärerisches Politdrama, das zuweilen spannend wie ein Thriller ausfällt. Etwa dann, wenn der Protagonist die Beweisdaten heimlich auf einen USB-Stick kopiert, den er später an die Journalisten überreichen wird.

19.02.2024

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Taz

vor 3 Jahren

Die bekannte Geschichte des Whistleblowers wird sehr spannend und stimmig umgesetzt. Gordon-Levitt macht unter der souveränen Regie von Oliver Stone fast alles richtig. Guter Thriller!


Deg89

vor 7 Jahren

Eine präzise Charakterstudie über einen Helden der vieles aufgegeben hat um freies Gedankengut zu schützen. Die Entwicklung von Snowden und seiner Absichten werden glaubhaft dragestellt, seine Lebensabschnitte spannend inszeniert. Die präsens von Spionagesoftware in einer digitalen Welt wirkt beängstigend, hätte aber in seiner komplexen Form mehr Fokus verlangt.Mehr anzeigen


Patrick

vor 8 Jahren

Snowden ist der beste Oliver Stone Film seit langem der wird spannend und nicht allzu komplex erzählt.Urprünlich sollte Snowden schon Ende 2015 in die USA Kinos kommen wurde aber immer wieder verschoben bis September 2016 auch war es schwer Geld für den Film zu bekommen da sprang Deutschland als Hilfe ein, deswegen wurden viele Szenen in München (Bavaria Studios)gedreht.Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Venom: The Last Dance

Typisch Emil

Lee - Die Fotografin

Tschugger - Der lätscht Fall